Portrait
Mit der Erstdurchsteigung der Eiger-Nordwand ist Anderl Heckmair ganz oben auf der Liste der alpinen Pioniere zu finden. Die im Alter von 98 Jahren verstorbene Bergsteigerlegende, verkörperte die Werte des klassischen Alpinismus. Heckmair hatte es dabei nicht leicht. 1906 in München geboren, verbrachte er Kindheit und Jugend weitestgehend im Waisenhaus, war mittellos in der schweren Weltwirtschaftskrise Ende der zwanziger Jahre. Zu seinem Lebenselixier wurden die Berge, zu seinem Motor das Bergsteigen. Anderl Heckmair steht wie kaum ein Zweiter für das, was mit dem Begriff des „Bergvagabunden“ gemeint ist und gehörte zu den härtesten und fähigsten Kletterern der „Münchener und Tiroler Schule“.
Mit Gleichgesinnten radelte er bis nach Afrika, kam in die Schweiz und die Dolomiten. Eine schwierige Kletterei nach der anderen füllte bereits sein Tourenbuch, als er 1933 sein Ziel, die Autorisierung zum Bergführer, erreichte. Heckmair avancierte zu einem der besten Kletterer der dreißiger Jahre und krönte diesen Lebensabschnitt mit der Erstdurchsteigung der berühmt-berüchtigten Eiger-Nordwand. Während des Zweiten Weltkriegs wurde er im März 1940 zur Wehrmacht eingezogen. Zuerst in Frankreich stationiert, sollte er in Pommern für einen Sondereinsatz geschult werden, fiel dort aber wegen politischer Unzuverlässigkeit auf und wurde an die Ostfront versetzt. Durch Glück und freundschaftliche Verbindungen unter Bergsteigern holte man ihn im Oktober 1941 als Ausbilder an die Heereshochgebirgsschule Fulpmes.
Nach dem Krieg rückte Anderl Heckmair seinen Beruf als Bergführer in den Mittelpunkt seines Lebens. Er führte Kunden auf viele Gipfel der Alpen, organisierte Expeditionen unter anderem nach Afrika, Südamerika, Kanada und in den Himalaja und war 1969 maßgeblich an der Gründung des Deutschen Bergführerverbandes beteiligt.
Anderl Heckmair lebte mit seiner zweiten Frau Trudl in Oberstdorf, mit der er von Australien über Japan und den Himalaya bis nach Kanada und Südamerika in den Bergen der Welt, und nicht nur dort, unterwegs war. Wie viele Urlauber konnten mit ihm am Söllereck umherwandern und sich durch ihn und seine Frau einen Einblick in die Geologie und Botanik der Allgäuer Bergwelt verschaffen! Nie war er sich zu schade, bei jedem Wetter dreißig Jahre lang diese Exkursionen im Auftrag der Oberstdorfer Kur AG durchzuführen. Heckmair hielt bis ins hohe Alter Vorträge über seine Abenteuer, schrieb mehrere Erlebnisbücher und wurde vielfach geehrt, u. a. mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande.
Seine Aktivitäten jenseits von extremen Klettern, Expeditionen und Reisen waren so umfangreich und vielschichtig, dass es den Rahmen sprengen würde, wollte man sie alle auflisten. Jedoch lassen sie sich mit einem Satz sehr anschaulich beschreiben: Anderl Heckmair war durch seine Tätigkeiten ein Mittler des Erlebnisses Berg, ein Botschafter der Natur in all ihrer Vielgestaltigkeit!