Trudl Heckmair im Alter von 93 Jahren verstorben - Anderl Heckmair

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In Gedenken an Trudl Heckmair
Trudl Heckmair ist gestorben
In tiefer Trauer um die Freundin

Für sie war das Gebirge nicht nur Freizeit- und Erholungsraum, sondern ein Ort des Erlebens und tiefer Erfahrung. 1932 in Oberstdorf geboren, widmete sie sich von klein auf der Natur und später den schönsten Gebirgslandschaften der Erde. Im Geiste war sie Weltbürgerin über alle Grenzen hinaus, an den Menschen und ihrer Kultur interessiert – im Herzen aber tief und fest mit ihrem Allgäu verwurzelt! Sie trug einen großen Namen, der wie kein anderer den Alpinismus und das Lebensideal Berg repräsentiert. Denn an der Seite des weltberühmten Erstbegehers der Eiger-Nordwand gestaltete sie selbstbewusst und eigenständig ein Leben in den Bergen: Trudl Heckmair aus Oberstdorf, die am 9. August im Alter von 93 Jahren verstorben ist!

1930er-Jahre. Ein Sonntagsausflug in die nahe Bergwelt. Es geht auf Skitour in eines der stillen Täler bei Oberstdorf. Vater und Mutter steigen in ruhigen, gleichmäßigen Bewegungen aufwärts. Die Sonne lacht, der Schnee glitzert, und wer genau hinsieht, erkennt den kleinen Mädchenkopf, der sich neugierig aus dem Rucksack des Vaters nach oben reckt, um ja nichts zu verpassen und mit großen Augen zu staunen. Kein Quengeln, kein Nörgeln – die Kleine ist rundum zufrieden und glücklich.
Trudl Heckmair ist im Alter von 93 Jahren verstorben.
Liebevoll und mit viel Geduld wurde Gertrud „Trudl“ Heckmair, geborene Amann, von ihren Eltern, insbesondere vom geliebten Vater, Franz Amann, der damals Alpenvereinsvorstand der Sektion Oberstdorf war, an die Berge herangeführt. Von Anfang an durfte sie mit, wollte früh sommers wie winters selbst aufsteigen und verblüffte Vater und Mutter mit ihrer Zähigkeit und Ausdauer. 1940, im April, zerbrach das Familienidyll: der Ehemann und Vater starb bei einer Skitour im Ötztal an Herzversagen. Gerade einmal achtjährig, war die kleine Trudl nun mit ihrer Mutter allein, und das im Zweiten Weltkrieg, als es immer schwerer wurde, die Existenz mit einer winzigen Witwenrente zu sichern. Lebensmittel waren bald knapp, doch die patente Mutter, die aus Franken stammte, wusste sich zu helfen. Zusammen mit ihrer Tochter sammelte sie Pilze und Wildgemüse und besserte so den Speiseplan auf. Trudl lernte zugleich enorm viel über die Pflanzenwelt und entwickelte schnell eine Begeisterung für das, was da grünt und blüht.

Wenn auch der Tod des Vaters in den Bergen ein Schock gewesen war, an der Liebe zur Bergwelt hatte sich nichts geändert. Als Jugendliche schloss sich Trudl dem Alpenverein an. „Die Mutter machte sich Sorgen und war davon nicht begeistert“, wusste sie noch genau. Geleitet wurde die Jungmädchengruppe von einer sehr engagierten Oberstdorferin, die als Tourenführerin den Mädchen das Bergsteigen und Skifahren, aber auch die Gefahren am Berg von Grund auf beibrachte. Es wurden viele tolle Touren in der Umgebung unternommen, die Trudl Heckmair als tiefe Erlebnisse in Erinnerung sind. „Im ‚Ältere-Herren-Club’ des damaligen Alpenvereins blieb die großartige Arbeit der Maile Emma, die unverheiratet war und über 90 wurde, zumeist unbeachtet“, erinnerte sich Trudl, und das ärgerte sie noch lange danach ein wenig.
1949, bei einem Kletterkurs auf der Fiderepasshütte, den der allseits bekannte Bergführer Anderl Heckmair leitete, wurde Trudl – niemand hätte das damals je vermutet – von ihrem späteren Ehemann unterrichtet! Zu jener Zeit allerdings interessierte sich die 17-Jährige noch gar nicht für den so viel älteren, beinahe 43 Jahre alten Extremkletterer, der auch schon verheiratet und Familienvater von zwei Söhnen war. Und ein penibler Kursleiter! „Ja, Anderl war streng. Wir mussten sogar die Decken im Lager genau nach seiner Vorgabe zusammenfalten!“, schmunzelte seine Witwe beim Blick zurück (Anderl Heckmair starb im Februar 2005 mit 98 Jahren).

Die Leidenschaft fürs Klettern konnte dieser Kurs in der jungen Trudl Amann jedoch nicht entfachen – sie war und blieb begeisterte Berg- und Skitourengeherin! Zu Beginn der 1950er-Jahre fand die zierliche, nur 1,50 Meter große, aber sehr energische und zielstrebige junge Frau neben dem Alpenverein, in den sie 1951 eingetreten war, durch Zufall Anschluss an eine fünfköpfige „Jungensgruppe“, die es jedes Wochenende ins Gebirge zog. Und sie wurde sogleich von allen akzeptiert! Eine wunderbare Bergkameradschaft nahm ihren Anfang, die ein Leben lang hielt. Nie gab es Streit, vielleicht auch, weil es immer nur bei Kameradschaft blieb. Manch „Angebetete“ dagegen hatte es schwer, in den eingeschworenen Club aufgenommen zu werden – meist kamen die jungen Frauen einmal mit und nie wieder. Oft ging es damals nach Graubünden zu herrlichen Skitouren. Doch hielten alle dem Allgäu die Treue und zogen auch später, nach der Heirat, nicht fort. Wann immer möglich verabredete man sich zu ausgewachsenen Bergtouren, und nach und nach waren dann auch die jeweiligen Ehepartner mit von der Partie. Noch bis zum Winter 2014/2015 sah man Trudl Heckmair auch bei vielen Skitouren des Freundeskreises. Trotzdem fiel es ihr nicht schwer, dies – nach fast 80 Jahren auf Ski – vorsichtshalber aufzugeben. „Die schöne Erinnerung daran bleibt ja“, war sie sich damals sicher.
Doch zurück ins Jahr 1962, als Anderl Heckmair erneut in ihr Leben trat. Die damals 30-Jährige, die 1951 eine Banklehre abgeschlossen hatte und über großes  Organisationstalent verfügte, sollte ein Expeditionskonto bei „ihrer“ Bank für den Bergführer betreuen und das ein oder andere Dokument übersetzen, denn weiteres großes Hobby der ehrgeizigen Oberstdorferin war das Erlernen von Sprachen, die sie bei langen Auslandsaufenthalten in Frankreich, Spanien und England vertiefen konnte. 1965 dann, als Anderl inzwischen geschieden war, merkten die beiden, dass es zwischen ihnen trotz des großen Altersunterschieds ernsthaft „gefunkt“ hatte. 1971 wurde geheiratet, und ein paar Jahre später gab Trudl Heckmair ihren Job bei der Bank auf, um mehr Zeit für gemeinsame Unternehmungen zu haben. Ihr Mann bekam Einladungen in die ganze Welt, und so waren sie unter anderem überall im Alpenraum, in Südamerika, im Himalaya, in Kanada, in Australien – mal allein, mal mit einer Gruppe.
Trudl Heckmair zu Besuch bei Uli Auffermann
Während ihrer gemeinsamen Jahre gehörten die vielen Berg- oder Skitouren rund um Oberstdorf zum Schönsten überhaupt. „Sicher waren wir auch mal zusammen auf der Trettach oder der Höfats, aber meist zog es uns in stille Täler, zu einsamen Bergen, möglichst ohne Straße und Hütte in der Nähe“, erzählte Trudl Heckmair oftmals mit bewegter Stimme. Stets ging es den Heckmairs um das Naturerlebnis, niemals war das Bergsteigen nur Sport. „ Die ‚Sportlichen’ haben oft ihrem Körper geschadet“, wusste sie, „die schaffen es als Ältere nicht mehr hinauf!“ Trudl dagegen fand ihr eigenes Tempo, ohne außer Atem zu kommen, ohne zu schwitzen. „Es ist doch ein Graus, wenn Leute erst vorpreschen und dann völlig verausgabt lange Pause machen müssen“, konnte sie sich aufregen. „Ich brauche unterwegs nicht zum Schnaufen anfangen!“

Und dann die Skitouren! Mit Lederschuhen wie aus der Vorkriegszeit und Skiern mit Backenbindung – daran hielten die beiden Heckmairs immer fest, denn obwohl ihre Abfahrten oft sehr lang waren, wurden diese nie zum rasanten Skirennen. Kaum einmal war Trudl Heckmair gestürzt in all den Jahren. „Es war ein richtiger Genuss“, schwärmte sie immer wieder, „ich brauchte mich um nichts zu kümmern. Anderl wusste die Gefahren bestens einzuschätzen, stieg vor und spurte, und ich ihm nach. Bei der Abfahrt dann fuhren wir schön lange durch, in vielen schönen Bögen, und ich immer direkt hinter ihm. Hielt er mal an, um nach mir zu schauen, war ich auch schon da – wir waren perfekt eingespielt und hatten beide eine Freude daran!“

Zusammen leiteten die Heckmairs auch für die Oberstdorfer Gäste fast 30 Jahre lang bis 1996 im Sommer alle 14 Tage ihre geologisch-botanischen Wanderungen am Söllereck. „Es war wirklich jedes Mal anders und anregend, gerade weil sich die Pflanzenwelt schon wieder etwas verändert hatte“, konnte sich Trudl Heckmair begeistern. „Ich war eben immer die Bergwanderin, die in der Bergnatur sein wollte, und ich fragte mich schon früh: ‚Warum wächst eine Pflanze gerade dort?’“ Die Oberstdorferin, die das Allgäu so liebte, beobachtete alles genau, wälzte Bücher und wurde richtige Expertin. Allerdings war sie überzeugt: „Die Natur zu verstehen, damit hat man ein Leben lang zu tun.“ Und Bergsteigen sei zuallererst Naturerlebnis: „Nicht die Leistung, nicht das sportliche Tempo zählt. Ich wollte nie etwas machen, was mich zu sehr fordert – nein, im Rahmen meines Könnens eine wirklich schöne Tour unternehmen, das gefiel mir.“ Natürlich am liebsten im Allgäu, am liebsten mit ihrem Anderl!
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